Im vorletzten Blogeintrag habe ich angekündigt darüber schreiben zu wollen, was habe ich dieses Jahr alles getan bzw. nach und nach gelernt habe, um mit der großen Einsamkeit besser umgehen zu können. Dies ist ein sehr persönlicher und daher auch auf mich, meinen Weg und meine Erfahrungen bezogener Blogartikel.
Monatelang ging es mir sonntags schlecht, sehr schlecht. Ich habe viel zu lang gebraucht um einfach mal im Internet danach zu suchen. Schnell wurde mir dann bewusst, dass ich bei weitem nicht der einzige Single bin, der mit diesem Phänomen zu kämpfen hat.
Mir ist bewusst, dass es einen Unterschied zwischen allein sein und einsam sein gibt. Doch die Gefühle die ich hatte, gingen tatsächlich um Einsamkeit. Verbunden mit Zukunftsängsten gingen meine Sorgen und Gedanken weit über allein sein hinaus. Ich fühlte mich weggestoßen, ausgegrenzt und verlassen. Dachte teilweise, dass niemand etwas mit mir zu tun haben möchte, weil „alle“ die „anderen“ wichtiger gefunden haben, als mich.
In meinem Freundeskreis sind alle Frauen, bis auf nicht mal eine halbe Handvoll Ausnahmen, vergeben. Deswegen sind meine Freundinnen am Wochenende mit ihren Partnern bzw. Familien unterwegs. Samstags fällt mir das nicht so sehr auf, da sind vegane Cafés geöffnet, ich kann zum Einkaufen in den Drogerie- oder Biomarkt gehen, zum Bücher schnuppern in die Buchhandlung oder sogar in die Bücherei. Sonntags bleibt von all diesen Optionen maximal eins der wenigen Cafés übrig, doch sind dort, vor allem sonntags, meist wieder Freundeskreise, Familien oder Pärchen zu finden.
Nach meiner Internetrecherche wurde mir jedoch bewusst, dass das nicht nur in München so ist, sondern Singles in vielen Städten und vor allem auf dem Land betrifft.Womit ich aber ziemlich allein war, was die Einsamkeitsgefühle erst einmal verschlimmbessert hat, ist…
… die Feststellung, dass viele Singles alleine losziehen. Und genau das will gelernt sein. Ich finde das nämlich richtig schwer!!!
Ich bin eher extrovertiert, liebe Städte, Gewusel und viele Menschen. Ich fühle mich am wohlsten mit vielen Leuten um mich herum, kann schnell Kontakte knüpfen und mir wurde schon oft gesagt, wie leicht man mit mir ins Gespräch kommen kann und wie gut ich darin bin, andere Menschen miteinander zu verbandeln.
Das alles macht die große Einsamkeit am Sonntag und das damit verbundene Sonntagstief jedoch nicht leichter, im Gegenteil. Vor allem wenn, wie ich bereits erwähnt habe, kaum eine andere Singlefrau im Umfeld ist, sondern man von verschiedenen Seiten zusätzlich gespiegelt bekommt, dass keine Zeit für ein Treffen vorhanden ist. Das war oft hart oder, um ganz ehrlich zu sein, sogar sehr schmerzhaft.
Wie habe ich also gelernt alleine loszuziehen, mein Leben wieder zu feiern und zu genießen und vor allem die Magie der Selbstbestimmung wieder zu schätzen?
Ich führe an dieser Stelle chronologische Stichpunkte auf und gehe anschließend näher darauf ein. Hinweis: Dies ist ein sehr langer Artikel geworden 🙂
- Auf die eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse achten.
- Diese umsetzen.
- Selbstfürsorge an allererste Stelle setzen.
- Orte meiden, an denen Paare händchenhaltend spazieren, tanzen, feiern, rumknutschen oder Freundeskreise zusammen unterwegs sind.
- Lernen, den eigenen Gefühlen zu vertrauen.
- Die Dinge einfach und gleich alleine machen, bei deinen ein Wohlfühl-Gefühl garantiert ist.
- Sich Freundinnen anvertrauen, die diese Lebensphase bereits durchgestanden haben
- Viel schlafen, richtig gut essen und trinken.
- Tief ein- und vor allem ausatmen.
- Meditation bzw. Stille nur dann, wenn dies gut möglich ist.
- Sport und Bewegung in den Alltag integrieren.
- Ein Dankbarkeitstagebuch führen.
- Rituale entwickeln.
- Lieblingsmusik hören und wenn es passt dazu singen.
- Lesen.
- Weiterbilden, lernen.
- Den Umgang mit Zukunftsängsten lernen und im Hier und Jetzt bleiben.
- Aus dem Hier und Jetzt raus manifestieren.
- Neue Orte besuchen.
- „Natur“ (?)
- Draußen gilt: Weg von Laptop, Tablet und Smartphone!
- In sich selbst investieren.
- Professionelle Unterstützung holen.
- Realistisch und mit Abstand auf die Exbeziehung(en) blicken.
- Das Schöne und die vorhanden Fülle im Leben sehen, statt das was aktuell fehlt.
- Neue Freundinnen suchen.
- Nach und nach Neues (allein oder mit den neuen Freundinnen) erleben.
- Wenn dann genug Sicherheit vorhanden ist: Zurück ins Leben stürzen!
- Dating erst dann, wenn die dafür notwendige Regulation des Nervensystems vorhanden ist.
Mein Weg aus der großen Einsamkeit heraus hat damit begonnen, dass ich auf die eigenen Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse geachtet habe. Ich mag dazu das Bild der Sauerstoffmaske im Flugzeug, die man erst sich selbst aufsetzt und dann den Banknachbarn hilft. Ich wollte daheim bleiben? Ich wollte Spazieren? Ich wollte Ruhe? Ich wollte Menschen? Ich wollte Sport machen? Alleine oder zusammen? Ich wollte lesen? Ich wollte streamen?
Was auch immer es war – ich habe dies umgesetzt. Entweder alleine, wenn möglich, oder mit Begleitung, wenn vorhanden. Auch das habe ich dann abgewogen: „Niemand hat Zeit? Gut, dann geh ich allein ins Kino! Fühlt sich das gut an? Ja? Auf geht’s!“ So ungefähr waren meine gedanklichen Selbstgespräche.
Meine Selbstfürsorge habe ich dabei an allererste Stelle gesetzt. Das kann auch ein: „Nein, ich mag dich heute nicht in der Wohnung deines Partners besuchen, da bleibe ich lieber allein daheim. Aber ich danke dir für das Angebot.“ sein. Andersrum war ich beispielsweise bei einem Fußballturnier des Sohnes einer Freundin dabei. Weil das an diesem Tag sehr gut getan hat. Spontanität und eine gute Verbindung zu sich selbst sind hier die Geheimnisse.
Passend zum eben erwähnten Nein will ich ganz ehrlich sein, dass ich anfangs Orte bewusst vermieden habe, an denen Paare händchenhaltend spazieren, tanzen, feiern, rumknutschen oder Freundeskreise spaßig zusammen unterwegs sind. Ich habe es mehrfach und auf unterschiedliche Weise probiert was jedes Mal dazu geführt hat, dass es mir psychisch schlecht ging. Im Nachhinein und mit Abstand betrachtet, verstehe ich das gut. Ich habe mich Situationen ausgesetzt, die mir auf keiner Ebene gut getan und fast alle Sinne herausgefordert haben. Beispiele hierfür sind eine Paartanz-Veranstaltung, ein Poetry-Slam oder die Isar an einem Sonntag. Hierbei ist vor allem wichtig zu hinterfragen, was man mit den Exfreunden erlebt hat und was deswegen zusätzlich Schmerzen verursacht, die andere vielleicht keinesfalls oder nur sehr schwer nachvollziehen können.
Unvergessen sind die Treffen mit einer Freundin und deren Partner an denen ich gar nicht mehr wusste, wo ich noch hinschauen kann, um die beiden keine Sekunde länger beim Streicheln, Anschmachten und Küssen beobachten zu müssen. Ich musste lernen, meinen eigenen Gefühlen zu vertrauen. Leider bin ich in diesen Momenten oft nicht schnell genug gewesen um zu merken, dass es für mich besser wäre, sofort zu gehen. Oft kamen Trauer und Einsamkeit erst zuhause oder sogar am nächsten Tag, mit voller Wucht, hoch. Ich habe nach und nach auf harte Weise lernen müssen, was mir gut tut und was mir nicht gut tut.
An dieser Stelle möchte ich meine Ausbilderin Britta Kimpel zitieren:
„Sich selbst und der eigenen Wahrheit mehr vertrauen als dem, was alle anderen sagen.“
Ich glaube, dass es genau darauf ankommt. Besagte Freundin braucht gar nicht verstehen, warum es mir nicht gut geht, mit den Treffen zu dritt. Ich spüre doch selbst, dass es so ist und dann geht es gar nicht darum, dass sie mir noch so sehr sagt, wie schade sie es findet, dass ich sie nicht gemeinsam mit ihrem Freund treffen will. Oder, dass sich die beiden doch gerne sonntags Zeit nehmen für mich, wenn es mir dann so schlecht geht. Ich verstehe was sie meint und finde das auch weiterhin sehr lieb gedacht. Doch es reicht aus, wenn ich darauf vertraue, dass ich mich nach den Treffen mit den beiden (ich habe auch das mehrmals ausprobiert) schlecht fühle.
Die Dinge, bei deinen ein Wohlfühl-Gefühl garantiert ist, habe ich wirklich einfach und gleich alleine gemacht. Das sind bei mir Konzerte, Vorlesungen, essen gehen in Lieblingslokale wo man entweder die Inhaber, Gäste oder eine Bedienung kennt – und sei es nur vom Sehen her. Immer mit einem Buch dabei. Ich konnte sofort Radtouren machen, Spaziergänge durch Stadtteile unternehmen, mit Büchern ausgestattet Trambahn-Srecken kreuz und quer durch die Stadt erkunden. Oder auch ganz explizit neue Dinge erleben, wie Kirschblüten im Olympiapark bewundern, allein auf eine Demo gehen, an einem Tages-Event für die Sichtbarkeit von Frauen und an einem Zivilcourage-Training teilnehmen, die Kunsthalle besuchen, mir stets Lilien kaufen, beim Vespa-Corso oder Football-Spiel zuschauen, aufs Bootcamp meiner Personaltrainerin gehen und Freundinnen in anderen Städten treffen.
Wenn ich das nun schriftlich festhalte, stelle ich fest, dass ich ganz schön viel gelernt habe in den letzten Monaten.
Meinen Tipp „Sich Freundinnen anvertrauen, die diese Lebensphase bereits durchgestanden haben gilt auch für Freundinnen, wenn sie aktuell in Partnerschaft sind. Allerdings möchte ich dies mit einem „Obacht“ versehen. Denn das ist und tut dann gut, wenn es sich dabei um Freundinnen handelt, die einen mit ihrer Meinung und ihren Ideen nicht überrumpeln. Damit meine ich gar nicht Ehrlichkeit, die ist richtig und wichtig, sondern ein Überstülpen des jeweils eigenen Lebens. Das ist nämlich nie vergleichbar. Deswegen braucht es hier Freundinnen die zuhören, Raum geben und diesen halten können. Vielleicht gibt es auch eine Freundin, die bei der letzten Trennung super gut geholfen hat, nun jedoch keine Kapazität hat. Es will wohl geprüft sein, wem gegenüber man sich aktuell öffnen kann. Hier will das Bauch- und Herzgefühl geachtet und darauf vertraut werden. Ähnlich wie bei den zuvor erwähnten Treffen mit Partner gilt: Wenn es nicht passt bitte nicht wiederholen und sich selbst und die eigenen Bedürfnisse auch diesbezüglich an erste Stelle setzen.
Anschließend habe ich gelernt, mich um mein Nervensystem zu kümmern. Ich habe damit begonnen wirklich gut für die Grundlagen zu sorgen um es „wenigstens“ in Sache Grundbedürfnisse vom Stresspegel auf ganz einfache Weise runter zu holen bzw. zu regulieren. Dazu gehören beispielsweise viel schlafen, auf die Toilette gehen, gut essen und trinken. Das klingt so banal aber ich hab angefangen zu beobachten, ob ich das umsetze. Tief schlafen war mir wegen der Nachbarsfamilie lange nicht möglich. So habe ich mir Noise-Canceling Kopfhörer und richtig gute Ohrstöpsel geschenkt. Ich habe gemerkt, dass ich in der Arbeit nicht immer genug trinke und oft erst mit „Wasser in den Augen“ auf die Toilette gegangen bin. All das ist einfach mit ein bisschen Feingefühl sehr schnell zu korrigieren.
Genauso ist es mit tief ein- und vor allem ausatmen. Oft bin ich in eine ganz flache Atmung gefallen, welche dann Auswirkungen beispielsweise auf Herz, Muskulatur und Körpertemperatur hat. Das klassische prāṇāyāma kann sehr gut helfen, vor allem gibt es viele verschiedene Techniken, egal ob man einer belebende, beruhigende oder ausgleichende benötigt. Für mich sind diese Atemtechniken eins der größten Geschenke, die ich aus meiner vierjährigen Ausbildung zur Yogalehrerin mitgenommen habe.
Aus der Yoga-Bubble weiß ich, dass sehr oft Meditation bzw. Stille empfohlen wird. Es stimmt, dass wir oft unsere Antworten darin finden. Doch ist der Weg nur dann richtig, wenn dieser wirklich gut möglich ist. Mir hat es binnen Sekunden Tränen in die Augen getrieben, als ich im Winter, frierend in absoluter Dunkelheit, um 05:50 Uhr probiert habe, in die Stille zu gehen. Das macht nur dann Sinn, wenn es wirklich gut möglich ist. Ich hab es dann sehr bald sein lassen und mit einer Reise durch mein Nervensystem ersetzt. Da bin ich auch still und konzentriere mich auf mich. Zudem bin ich fest davon überzeugt, dass mehrmals über den Tag verteilt regulieren wesentlich schlauer ist, als jeden Morgen, weil es sein muss, ganze 6 Minuten am Stück Zeit zu investieren, die viel Überwindung kosten.
Sport und Bewegung in den Alltag zu integrieren klingt einfach. Ist es aber nicht, wenn man sich einfach nur daheim verkriechen will. Dank meiner neu entdeckten Liebe für Muskelaufbau/ Krafttraining und damit verbundener Personaltrainerin, war ich allerdings hochmotiviert. Ich will nicht predigen, aber an der Idee, dass Sport und Bewegung der Psyche gut tun, ist halt „leider“ wirklich was dran. Mir hat geholfen, dass ich mir vorgestellt habe, wie ich mich danach fühle und die Unlust davor somit überlistet habe. Der Vorteil am Radfahren ist neben der frischen Luft, dass man rauskommt und Menschen sieht. Ich hab ab/ bis Haustour verschiedene Touren ausgesucht, die je nach Tageslaune und Gefühlen gut passen.
Auf diesem Weg ist es mir gelungen, dass weniger Stresshormone und mehr Glückshormone ausgeschüttet wurden. Aktivität und Entspannung konnten sich wieder besser einpendeln und ich bin nach und nach aus der Erstarrung der Einsamkeit raus gekommen.
Daran beteiligt waren auch vier Dinge, die recht banal klingen. Ich habe wieder begonnen handschriftlich, abends im Bett, bevor ich zu lesen anfange, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen. Mit einer Freundin hatte ich das per WhatsApp-Gruppe probiert, was für mich allerdings nicht den gewünschten und altbekannten Effekt hatte. Also habe ich dies korrigiert und eins meiner liebsten Rituale wieder etabliert. In mehreren Folgen meines Podcasts „Friede Freude Süßkartoffel“ spreche ich über meine Rituale, sie sind außerdem in den Blogartikeln „Inspiration für Morgenrituale“ und „Inspiration für Abendrituale“ zu finden.
Dieses Jahr durfte ich den Konzertsommer schlechthin erleben. Als Vorfreude darauf und auch zur Nachwirkung habe ich ganz viel meiner Lieblingsmusik gehört – und wenn es gepasst hat auch dazu gesungen. Ein wichtiger Teil meines Lebens ist das Lesen. Auch das habe wieder mehr vertieft und bin zwischen Schnulzen und Sachbüchern hin und her gehüpft. Es lebe der Ausweis meiner Stadtbücherei und meine allerliebste Buchhandlung. Zum ersten Mal seit langer Zeit habe ich dieses gleich an gleich zwei Lesungen teilgenommen. Das war toll!
So kann ich auch das Weiterbilden bzw. Lernen empfehlen. Was ich noch auf meiner gedanklichen „Will ich lernen“-Liste stehen habe: Bayrisch tanzen und Skateboard fahren bzw. meine Rollschuhe wieder auspacken. Vielleicht auch mal wieder ein veganer Kochkurs? Von 2015 bis 2019 habe ich eine Ausbildung zur Yogalehrerin BDY mit 1.000 Stunden absolviert. Währenddessen eine Ausbildung zur veganen Ernährungsberaterin erfolgreich bestanden. Im Jahr 2021 habe ich meinen Arbeitgeber gewechselt und wurde dort monatelang eingelernt, um dieses Jahr in zwei neuen Bereichen einiges dazu zu lernen. Unter anderem deswegen war es hier so still. In den letzten Monaten habe ich gemerkt, dass mir die Weiterentwicklung meiner Herzensthemen und der Seelenpflege fehlt. Daher freue ich mich nun besonders auf den kommenden Herbst/ Winter, in dem ich an einer Ausbildung im Bereich Nervensystem bzw. Körperarbeit teilnehmen werde. Ich möchte noch besser darin werden, mich selbst zu regulieren und alle Emotionen zu verkörpern. Zudem möchte ich lernen, diese hilfreichen und wertvollen Techniken und Werkzeuge weiterzugeben, da sie mir selbst bereits jetzt sehr gut weitergeholfen haben. Über die Entscheidung, mich zur Ausbildung bei Britta Kimpel anzumelden, bin ich dermaßen glücklich, dass ich zum ersten Mal seit Jahren (!) keine Angst und Panik vor der dunklen Jahreszeit und dem damit verbundenen Winterblues habe.
Ich wünsche mir einen besseren Umgang mit Zukunftsängsten zu lernen und noch mehr im Hier und Jetzt bleiben zu können. Darin bin ich jetzt schon recht gut – aber es gibt nach oben keine Grenzen. Das Gegenteil davon ist es, mich aus dem Hier und Jetzt heraus zu manifestieren. Damit meine ich kein „Ich wünsche mir ein 100.000 Euro Auto“ sondern ein verkörpertes rein spüren in eine gute Zukunft. Dies ist für mich, vor allem wenn die Einsamkeit hochkommt, sehr hilfreich. Denn ich wusste ja immer, dass die Situation wie sie gerade ist und auch der damit verbundene Schmerz, nicht für immer so bleiben. Wenn es dann jedoch Tipps dazu gibt, wie man, fernab von abgehobener Esoterik, das Gehirn ausrichten kann… Oh wow, Neurowissenschaft rockt! Das ist für mich genial und ich freue mich unsagbar sehr darauf, über beide Punkte noch mehr zu lernen und das Gelernte zu verkörpern.
Ein gutes Training für mich zum Thema „Hier und Jetzt“ ist es, neue Orte zu besuchen. Erst letztes Wochenende habe ich mich im Nordteil des Englischen Gartens „verlaufen“ was freilich, mit Smartphone im Rucksack, nicht wirklich möglich ist. Aber es war einfach herrlich weil ich mich total drauf konzentrieren musste, wie ich zurück komme. Unabhängig von solch lustigen Erlebnissen sind neue Orte null von der Vergangenheit geprägt. Sie sind aufregend – aber halt nicht traurig.
Was ich jedoch gelernt habe ist, dass mich alles was „Natur“ ist ungemein stresst. Ich bin und bleibe ein Stadtkind und Ausflüge in Viertel die ich nicht kenne, machen mir richtig, richtig viel Freude. Auch die Wälder in und um München, die Isarauen oder die vielen Gärten sind für mich wohltuend. Allerdings würde ich nie auf die Idee gekommen, irgendwo allein im dunklen Wald spazieren zu gehen. Geschweige denn auf Berge oder Wanderrouten fernab von Menschen. Allein die Anreise würde mir schon maßlos auf den Senkel gehen. Das mag für einige meiner Freundinnen perfekt sein und der beste Ausgleich für den Arbeitsalltag. Für mich bedeutet Natur aber einfach Alarmanlage/ Rauchwarnmelder/ Dauerstress. Und Spaß macht es mir auch nicht. Ich schwimm halt auch lieber im Pool als im Meer oder See. Es gilt auch hier alles zu hinterfragen, zu überprüfen und vielleicht auch entgegen des Freundeskreises zu handeln.
Was für meine Ausflüge, also „Draußen“ gilt: Weg von Laptop und Smartphone! Ich würde nie auf die Idee kommen, mich mit Laptop in den Biergarten zu setzen. Was ich früher gemacht habe ist Spaziergänge mit Podcast im Ohr. Auch das lasse ich mittlerweile sein, weil ich mich viel lieber mit allen Sinnen auf meine Umwelt konzentriere, statt abgelenkt zu sein. Mir tut das auf diese Weise nun sehr gut, in der ersten Phase des Alleinseins war das allerdings gar nichts für mich. Da kamen Podcasts oder Audios von Freundinnen genau recht. Insofern: Bitte rein spüren und stets ändern bzw. anpassen!
Trotz all diesen tollen Werkzeugen wurde mir irgendwann im Frühsommer klar, dass es einige Punkte gibt, an die ich alleine nicht ran komme. Mich alleine nicht ran traue. Die mir zu peinlich und schambehaftet waren, um sie Freundinnen zu erzählen. Ich habe gemerkt, dass es an der Zeit ist, Geld in die Hand zu nehmen und es in mich und mein Wohlbefinden zu investieren. In Psychotherapie auf Krankenkassenkosten war ich schon, bin jedoch nicht auf körperlicher Ebene an Seele und Herz gelangt. So habe ich mir professionelle Unterstützung geschenkt und mich in systemische Therapie begeben. Im Nachhinein hätte ich mir monatelangen Kummer, Sorgen und Selbstzweifel sparen können. Andererseits war ich vorher noch nicht bereit.
Von der Paartherapeutin wurde auf liebevolle Weise durch die Stunden geleitet, sie holte mich jeweils genau da ab wo ich stand, ist mit viel Geduld und Sanftheit vorgegangen und hat mir sehr viel Raum und einen friedlichen Rahmen geschenkt. Von ihr lernte ich beispielsweise realistisch auf die Exbeziehungen zu blicken und wieder das Schöne und die vorhanden Fülle in meinem Leben zu sehen, statt meinen Fokus auf die beiden wenigen Punkte zu legen, die aktuell fehlten. Ich bin ihr unendlich dankbar.
In der systemischen Therapie wurde mir außerdem bewusst, dass ein relativer einfacher Weg um mich zurück ins Leben zu stürzen wäre, mir neue Freundinnen zu suchen. Frauen, die ein Leben wie ich führen. Sprich: kinderfrei, Single und ungefähr in meinem Alter sind. Das klappte viel schneller und einfacher als gedacht. Außerdem habe ich intensiv überlegt, welche meiner früheren Bekanntschaften sich vielleicht wieder mit mir treffen möchte. Kennst du das? Ohne Streit, nicht mal mit Meinungsverschiedenheiten, lebt man sich auseinander oder aneinander vorbei? Der Kontakt schläft einfach still und leise ein? Ganz ohne Groll. Auf diese Weise habe ich nun drei Frauen in meinem Leben, die im Januar noch kein Teil davon waren.
Nun hatte ich also Rückenwind und plötzlich war es mir möglich sonntags ins Café zu gehen, an einer traditionellen Tanzveranstaltung teilzunehmen, Events zu besuchen, auf deren Idee ich alleine ganz sicher nicht gekommen wäre, Riesenrad zu fahren, an der von Paaren überlagerten Isar zu sein und so weiter. Ich konnte Stück für Stück lernen, dass ich es mittlerweile gar nicht mehr als so belastend empfunden habe auf Menschen die nicht-allein unterwegs sind zu stoßen.
Ich hatte mich und mein Nervensystem durch die neuen Erfahrungen, Erkenntnisse und Erlebnisse ganz langsam reguliert. In meinem eigenen Rhythmus und auf meine eigene Weise.
Nachdem dieser Schritt gemacht war ist es kinderleicht gewesen diese Dinge auch allein zu erleben. Ich hab allen Mut zusammengepackt und bin nach und nach durch zuvor verschlossene Türen, beispielsweise die des Nymphenburger Schlossparks, gegangen. Schritt für Schritt, immer ein bisschen weiter. Mein Nervensystem und ich sind alleine losgezogen. Und es fühlt sich großartig an! Als hätte ich mir mein eigenes Leben zurück erobert. Mit dem Wissen den Fokus auf all das was da ist, statt auf dem Mangel zu legen. Gepaart mit den neuen Erfahrungen, dass es mir gut geht auch wenn ich Fremde beim Knutschen, Anschmachten und Fummeln sehe.
Was ich nun ganz langsam angehen werde, ist der nächste große Schritt, mich zurück in Dating zu stürzen. Dies will und werde ich erst dann tun, wenn mein Nervensystem noch mehr reguliert ist. Das werde ich dann daran merken, dass mir die Vorstellung mit fremden Männern zu schreiben, Zeit und Aufwand in Fremde zu investieren oder Fotos sowie Informationen von mir auf eine Online-Dating-App zu stellen, keine Nackenhaare mehr aufstellt. Wenn ich jetzt aktuell an all das denke, reagiert mein Körper sofort. Ich bekomme Schnappatmung, mein Herz rast und mir wird fast schon übel. Das sind genug Zeichen meines Körpers dafür, dass ich noch nicht so weit bin.
Zusammenfassend will ich festhalten, dass die Konfrontation mit belastenden Situationen oder Orten langsam, geduldig und in dem Tempo der Person passieren sollte, die das diese als belastend empfindet. Die Definition von Belastung obliegt, meiner Meinung nach, ebenfalls besagter Person. Es ist sehr schwer für Außenstehende nachzuvollziehen, was in den Betroffenen vorgeht. Daher sind Rücksicht, Verständnis und wohlwollendes Zuhören, verbunden mit „einfach nur da sein“ die vermutlich beste Unterstützung, die geschenkt werden kann.
Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass dieses Festhalten meiner Reise aus der Einsamkeit zurück ins Leben später weiterhilft. Egal ob mir selbst oder (und das wäre noch viel schöner) einer Person, die das hier liest. Denn wenn ich nur einen Menschen diese schwierige Phase, vielleicht auch nur minimal, erleichtern kann, dann hat sich dieser Artikel schon gelohnt. Sogar dann, wenn es nur einer dieser vielen Tipps ist, der sich herausgepickt wird.
Alles Liebe,
Claudi