Zum dritten Mal habe ich im November 2022 einem geliebten Tier (und jahrelangen Begleiter) Sterbehilfe geben müssen. Und ich hoffe inständig, dass es das letzte Mal war, denn dieser Schmerz, diese Trauer und diese Verantwortung sind sehr schwer zu ertragen. Das erklärt auch, warum ich diesen Blogeintrag, welchen ich Bereits im Januar 2023 verfasst habe, erst jetzt veröffentlichen kann. Ausschlaggebend hierfür ist eine kürzlich erschienene Kolumne der, von mir so viel mehr als geschätzten, Autorin Anika Landsteiner.
Mein zweiter Hund war seit Mai 2022 schwer krank. Geboren wurde er, mit einer behinderten linken Vorderpfote, geschätzt im Juni 2010. Bei einer OP (Zahnsteinentfernung und Untersuchungen von einigen Fettablagerungen, die Tumore hätten sein können) im Jahre 2017 wurden Röntgenaufnahmen seiner Hüfte gemacht und es war klar: Er hatte damals schon Arthrose. Im Sommer 2020 folgte ein Kreuzbandriss, die Aufnahmen wurden wiederholt und die Arthrose hatte sich nur minimal verschlimmert.
Doch seit Frühjahr 2022 wollte er immer weniger Spazieren stehen. Ein Besuch in der Tierklinik führte zu der Erkenntnis, dass er starke Schmerzen entlang der Lendenwirbelsäule hat. Es könne sich entweder um ein Problem mit den Nerven handeln, oder um eines der Knochen. Dies könne man nur mit Untersuchungen herausfinden, welche aber keinen Sinn machen würden, da man aufgrund seines Alters sowieso von einer OP abrät.
So entschied sich der Familienrat mit den Hilfestellungen der Tierärztinnen für eine Schmerzmitteltherapie. In der Absprache, dass diese so lange und so hochdosiert durchgeführt wird, bis sich die Lage verschlechtert. Wohlwissentlich, dass diese Entscheidungen Auswirkungen auf Nieren, Leber und Verdauung haben wird. Was noch mehr Medikamente erforderlich machte.
Im 2-Wochen-Rythmus wurde ich Stammgast in der Tierarztpraxis um sich entweder zu besprechen (die Schmerzmittel-Menge wurde in drei Schritten nach und nach bis aufs Maximum erhöht) oder neue Medikamente abzuholen. Zwischenzeitlich folgten viele Gespräche mit „Tiermenschen“ in meinem Freundeskreis. Zum einen habe ich viele Freunde, die Tiere bereits in deren letzten Monaten/ Wochen/ Tagen begleitet haben, zum anderen aber auch eine Fachfrau, die mit wirklichem Wissen unterstützen konnte. Zusammenfassend kann ich sagen:
„So lange ein Hund frisst, trinkt und gerne rausgeht, besteht kein Grund zu Sorge. Sobald sich eins der drei Dinge ändert, gilt es hinzuschauen.“
Mit diesem Leitfaden verbrachte ich den Sommer 2022 hauptsächlich Zuhause mit meinem Hundeopa. Mir fiel es schwer ihn lange allein zu lassen, das habe ich nur noch unter fünf Stunden (also werktags um in die Arbeit zu gehen) gemacht und auch dann nur abgestimmt auf seine Spazierstehzeit, den Zeitpunkt der Medikamentengabe oder den beiden Mahlzeiten. Wir hielten uns tapfer, ab dem Moment wo ich mein inneres Rebellieren aufgegeben hatte und mich der Situation hingegeben habe.
Aufgrund immer wiederholender Gespräche mit dem Tierarzt-Team wurde mir bewusst, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, wie lange mein geliebter Mitbewohner am Leben bleiben wird.
Da helfen nur noch Ruhe, Geduld, Loslassen, Vertrauen, Hoffen, Wünschen. Den Fehler, den ich beim ersten Hund begannen hatte, ihn schwer atmend noch einige Tage am Leben zu lassen, „nur“ weil ich nicht bereit war mich zu verabschieden, wollte ich keinesfalls wiederholen.
So fand familienintern eine klare Absprache statt: Wenn der Zeitpunkt da ist, wo nicht mehr gegessen und getrunken wird, dann heißt es Abschied nehmen, so schwer es auch sein mag. Für das Wohl des Tieres.
Ende November war es dann soweit. Wie ich rückwirkend erfahren habe, fiel ihm das Essen am Freitagmittag schon schwer. Mir persönlich wurde dies am Wochenende bewusst, als ich schwer erkältet das gesamte Wochenende zu Hause war. Intuitiv habe ich es nicht in meinem Bett, sondern entweder auf der Couch oder gleich auf dem Hundebett verbracht.
Der Hundeopa wollte nichts mehr essen, nichts mehr trinken. Er verweigerte die Medikamente, trotz sämtlicher Tricks. Ich habe seine Lieblingsessen gekocht. Nudeln, Kartoffeln, Kürbis. Versucht alles mit (veganer) Leberwurst aufzupäppeln. Gestreichelt, per Hand gefüttert, gut zugeredet. Aber nichts ging mehr.
Zudem wollte er nicht mehr aufstehen um rauszugehen, er freute sich nicht mehr, wenn ich mich zu ihm setzte. Hat nur noch geschlafen und kaum mehr Kraft gehabt. Nachts musste er sich übergeben und meine Alarmglocken haben Stunde um Stunde lauter geläutet.
Das Spazierenstehen war nur noch mit Leckerlis möglich, sonst wäre er nicht zur Haustür raus. Selbst schwer hustend, frierend und rotzend brauchten wir beide jeweils eine halbe Stunde für 100 Meter.
Trotz all dem dachte ich, als ich am Montagvormittag bei der Tierärztin anrief, sie würde sagen: „Ja, dann wechseln wir nun einfach das Schmerzmittel und es wird schon noch ein bisschen weiter gehen.“
Doch so was es leider nicht. Ich schilderte ihr genau wie sein Verhalten war und sie sagte mir geradeheraus das, auf was mich meine Freundin mit dem riesengroßen Tier-Fachwissen schon vorbereitet hatte: „Wenn er nichts mehr trinkt und isst, dann hat er große Schmerzen und keinen Lebenswillen mehr. Wir könnte ihm jetzt noch 7, bis maximal 14 Tage, Morphium geben. Aber spätestens dann, wäre der Zeitpunkt der Sterbehilfe da.“
Sie erinnerte mich liebevoll daran, dass wir immer wieder besprochen hatten, dass der Schatz keine Schmerzen haben sollte. Und, dass ich mein Leid und den Kummer bezüglich des Abschieds lieber annehme, als ihm Leid und Kummer zu geben, in dem ich ihn mit stärksten Medikamenten am Leben lasse. All das, all die Qual, um das Unvermeidliche lediglich für maximal zwei Wochen herauszuzögern? Nein!
Bereits am Telefon bekam ich den genauen Ablauf erklärt (erst eine Schlafspritze, dann die tödliche) und wurde gebeten seine Kuscheldecke mitzunehmen, damit das Tragen leichter fällt.
Den genauen Ablauf unserer letzten gemeinsamen Stunden möchte ich hier nicht teilen. Soviel sei aber gesagt:
Ich war so ruhig und liebevoll, friedlich und in absoluter Dankbarkeit, wie es mir möglich war. Das hat mich wahnsinnig viel Kraft gekostet, aber ich wollte einfach, dass mein geliebter Begleiter so sanft wie möglich für immer einschlafen kann.
Ich hoffe und denke, dass ich ihm das ermöglicht habe. Und noch viel mehr hoffe ich, dass er nun an der Regenbogenbrücke wieder so frech und wild und wunderbar toben kann, wie es ihm seit 2017 schon nicht mehr wirklich möglich war.
Die wahrhaftige Tierliebe besteht für mich auch darin, meine eigenen Bedürfnisse hinten anzustellen und vor allem dafür zu sorgen, dass die geliebten Fellnasen weder Leid noch Schmerzen ertragen müssen.
Deswegen bin ich diesen schweren Schritt gegangen.
Ruhe in Frieden, du für immer geliebte Hundeseele. Einen riesengroßen Platz in meinem Herzen, wirst du voller Dankbarkeit für dein Sein und dafür, dass du dich für mich entschieden hast, für immer haben.
Ich hoffe, liebe*r Leser*in, dass dich dieser Beitrag in einer schwierigen Zeit mit einer schwierigen Entscheidung unterstützen kann.
Alles Liebe, von ganzem Herzen. Mit diesen schweren aber wichtigen Worten heute, zu Samhain, noch mehr Liebe als sonst immer.
Deine Claudi