Allen die hier in den letzten Artikeln, vielleicht auch zwischen den Zeilen, mitgelesen haben, ist eventuell aufgefallen, dass sich bei mir seit einigen Monaten das ein oder andere verändert.
Den jahrelange Kampf gegen das Singlesein habe ich bestmöglich aufgegeben und schwenke die Friedensfahne. Ich gebe mich dem hin, bin in der friedlichen Akzeptanz gelandet, kann mit dem Alleinsein sehr gut und der Einsamkeit relativ gut umgehen. Über das Miteinander mache ich mir weiterhin viele Gedanken und versuche immer mehr, auf liebevollste Art und Weise, aus der Komfortzone rauszukommen. Nachgelesen werden kann das beispielsweise im Beitrag über die Einsamkeit oder über das Miteinander.
Heute möchte ich festhalten, wie ich gerade sehr sehr sehr stolz und glücklich auf meiner Couch sitze. Der Ofen ist an, die Wärmflasche liegt auf meinem gut gefüllten Bauch, darüber die Kuscheldecke. Ich freue mich auf den nächsten von fünf ZDF Weihnachtsfilmen und über den Kakao, den ich nebenbei genieße.
Am Morgen sah das alles ganz anders aus: Innerlich war ich absolut überfordert vom angedachten Ablauf dieses Urlaubstags.
- Zur Packstation radln um ein Paket abzuholen mit dem ich gar nicht gerechnet habe, weswegen die Größe nicht abschätzbar war.
- Ins Schloss Nymphenburg, weil das schon lang auf der Liste steht und ich es echt unglaublich finde, in knapp 42 Jahren noch nicht dort (im Sinne von innen drinnen) gewesen zu sein.
- Zum Lieblingsbuchhändler um eine Bestellung abzuholen.
- Krafttraining und anschließende Dusche.
Irgendwie erschien mir das plötzlich viel zu viel, vor allem in Anbetracht von zwei Grad, grauem Himmel, Wind und angesagtem Schnee (immerhin kein Hagel). Am wenigsten Lust hatte ich, schon wieder was allein zu machen. Und zwar zum allerersten Mal allein ins Museum (Schloss) zu gehen.
Also hab ich morgens im Bett erst einmal nach Ausreden gesucht: „Es reicht doch zur Packstation und zum Buchladen zu gehen! Trainiere halt morgen! Du hast doch Urlaub! Bleib doch ruhig und mach es dir einfach! Das Schloss läuft dir nicht weg! Dann gehst da halt ein anderes Mal hin! Mach es dir doch schön kuschelig daheim! Tu dir das doch nicht an!“
Das alles habe ich mir selbst mit Ausrufezeichen erzählt und war kurz davor nachzugeben. Doch dann wurde mir schnell bewusst, dass es sich um eine ganz einfache Taktik meines Nervensystems handelt: „Allein ins Museum – HILFE! Das geht gar nicht! Wir brauchen hier dringend eine andere Gestaltung für den Tag! Das ist uns viel zu viel! Wir wollen nicht raus aus der Komfortzone!“
Auch hier wieder Ausrufezeichen.
Als mir das dann bewusst war, habe ich mich mit einer „Jetzt erst recht“-Mentalität aufs Radl geschwungen und bin zum Test einfach mal nur zur Packstation. Das war jetzt kein Höhepunkt bei Gegenwind auf der Hauptstraße zu fahren und nicht mal zu wissen, was von wem da was auf mich wartet. Aber ich wusste, dass das ein guter Test ist für den weiteren Verlauf des Tages.
Wieder daheim (Paket abstellen) wusste ich dann, dass es dummerweise durchaus möglich ist zum Schloss zu radeln. Mit dem Motorroller wollte ich zwecks starkem Wind nicht fahren, ich hatte Sorge, dass er mir geparkter Weise umkippt. Oder ich mit ihm. Was schlimmer wäre weiß ich nicht 🙂
Lange Rede, kurzer Sinn:
Es hat alles gut geklappt, inklusive Buchabholung in direktem Anschluss an den Besuch der Schönheitengalerie. Hey, ich war tatsächlich im Geburtszimmer von König Ludwig II. Daweil hat es mich eine soooooooooooooo große Überwindung gekostet, aus der Komfortzone rauszugehen und erstmals ein „Museum“ allein zu besuchen. Doch als ich staunend im Festsaal stand war ich einfach nur wahnsinnig froh. Nachdem ich in einer halben Stunde jedes Zimmer und jede Schönheit bestaunt hatte wollte ich wieder gehen. Ich hab kurz überlegt ob das echt okay ist, so schnell fertig zu sein. Aber wie genial ist das bitte??? Niemand dabei der noch was sehen/ hören will, nachdem ich mich richten müsste.
Ich hab nochmal meine liebste Schönheit bewundert und im Festsaal den mindestens fünften Blick nach oben geworfen – und bin dann einfach gegangen.
Daheim wurde dann sofort trainiert und heiß geduscht. Ein Traum! Doch irgendwie war es erst 13:30 Uhr, ich absolut munter und unternehmungslustig. Und ja soooo stolz.
Da der Wind mittlerweile nachgelassen hat, hab ich mir gedacht: „So ne Rollertour ins Lieblingscafé und dafür nicht kochen brauchen, das wäre doch jetzt was. Ist ja Urlaub.“
So hab ich mir das neue Buch geschnappt, mich eingemummelt und bin zum dritten Mal los gedüst.
Von all den Dingen, die heute Morgen wie ein Klos im Hals oder Stein auf den Schultern waren, habe ich also alles geschafft und sogar noch einen omnomnom-Besuch dazu gepackt. Wie?
Stück für Stück bin ich sie angegangen, wie Beppo, der Straßenfeger in Momo. Immer nur eins weiter, nicht zu viel im voraus denken, atmen und ruhig bleiben. Hinterfragen ob das nun eine Geschichte meines Kopfes ist, der keine Lust auf Experimente hat (war heute bei allen Dingen der Fall) oder ob es wirklich gute Gründe gibt, etwas nicht zu tun.
Und das ist der Punkt, den ich hier mitgeben mag: Veränderung geht. Aber mach sie doch bitte so, wie sie dir gut tut, wie sie dich ein bisserl stresst – aber nicht zu sehr. Ein Schritt nach dem anderen, niemals fünf auf einmal.
So wird eine Komfortzone Stück für Stück, auf liebevolle und sanfte Weise, vergrößert. Ich wünsche allzeit viel Freude und gutes Gelingen.
Alles Liebe,
Claudi